· 

3. Die ersten Jahre

Geburt und unsere ersten 3-4 Jahre

Wir kommen auf die Welt und sind, wenn alles gut gelaufen ist, bereit zu leben, zu lernen und zu wachsen. Und das ist auch zunächst unsere erste Aufgabe, nämlich zu überleben. Darauf ist unser System und unser Lernen und Verhalten von Beginn an ausgerichtet.

 

Was bedeutet das? 

Wenn wir geboren werden, haben wir eine Grundausstattung mit allen Anlagen, die wir für unser Leben brauchen. Als Lebewesen werden wir uns nun ständig weiter entwickeln und uns immer besser an unsere Umgebung anzupassen um damit überleben zu können.

 

Unser Gehirn hat bei unserer Geburt ca. 100 Milliarden Neuronen mit einer noch relativ mageren Anzahl an Verbindungen (Synapsen). Die Anzahl der Synapsen vergrößert sich in den ersten 2,5 - 3 Jahre etwa auf 200 Billionen. Das Gehirn eines Kleinkindes hat schließlich mehr als doppelt so viele Verbindungen, wie das eines Erwachsenen. Jede Aktion bewirkt neue neuronale Verknüpfungen, jede Wiederholung einer Aktion verstärkt die vorhandene Verknüpfung und vertieft die Erfahrung.

 

Ein Baby lernt durch alles, was er über seine Sinne erfährt und wahrnimmt. Mit jedem Tag entwickelt sich sein Gehirn weiter, es wird wacher und agiler. Aber es befindet sich bis zum Alter von ca. 3,5 - 4,5 Jahren in einem hypnotischen Zustand. Die Gehirnwellen bewegen sich im Delta- / Theta-Bereich, unser Gehirn befindet sich in einem neuroplastischen Zustand, in welchem es lernt und lernt und lernt.

Aber es lernt nicht so, wie wir uns das als Erwachsene vorstellen, sondern vor allem durch Wahrnehmen, Erfahren und emotionale Reaktion. Dabei arbeitet es sich von innen, den Urinstinkten des Überlebens (Sicherheit, Satt, Warm, Bindung) hin zu persönlicher Entwicklung (Entdecken, Interagieren).

 

Alles was ein Kind in diesen ersten Jahren lernt, kann es nur lernen, weil das Gehirn hochneuroplastisch ist und alle Erfahrungen damit tief und ohne Hinterfragung gespeichert werden können. Dies ist überlebensnotwendig! Wir müssen uns, sobald wir auf der Welt sind, so schnell wie möglich an unsere Umgebung, vor allem an unser Versorgersystem (Eltern/Familie) anpassen, um unser Überleben in diesem System zu sichern. Dazu gehört es Verhalten zu kopieren und eigene Bedürfnisse entsprechend der Reaktionen der Versorger zu äußern oder zu unterdrücken.

 

Alles, was ein Kind bis zu diesem Alter erfährt, wird tief im limbischen System gespeichert und prägt die Sichtweise, das Weltbild und die damit verbundenen Glaubenssätze dieses Menschen auch als Erwachsener. Dass Erfahrungen umso tiefer gespeichert werden, je emotionaler sie sind, hat die Funktion, dass wir in einer Gefahrensituation sofort, nämlich gesteuert aus dem limbischen System unser Überleben über die Fight-/Flight- oder Freeze-Reaktion retten können. Das muss so tief und so früh wie möglich sitzen. Das muss als Reflex kommen, ohne Diskussion.

 

Das Kind hat bis zu diesem Alter (3,5  -4) noch kein wirkliches Ich-Verständnis im Sinne einer getrennten Person. Es lernt rein über Wahrnehmung und bezieht alles, was geschieht auf sich selbst. Es lernt ja daraus. Aber es hat noch kein Verständnis für richtig und falsch. Es kann noch nicht die Konsequenzen seines Tuns tatsächlich abschätzen (Diese Fähigkeit ist im Präfrontalkortex verortet, der jedoch erst ab der Pubertät moduliert und geprägt wird). Es lernt rein über "machen meine Versorger so, muss ich also auch machen, um möglichst gleich zu sein".

Das heißt, der Bewertungsmaßstab für ein Kleinkind ist seine Emotion, also wie es sich mit der Reaktion fühlt, die es auf die Äußerung eines Bedürfnisses erhält. Was sich gut anfühlt wird es weiter tun, was sich nicht gut anfühlt wird es eher unterdrücken, vor allem, wenn es keine Lösung zur Beseitigung des negativen Gefühls (Angst, Wut Trauer) gibt.

 

Das führt dazu, dass kleine Kinder oft nicht tun, was man ihnen sagt (die Worte können sie in ihrer Bedeutung aufgrund mangelnder Erfahrung oft nicht verstehen), sondern sie tun, was sie bei ihrem Versorger sehen. Sie kopieren über die Spiegelneuronen und über das dadurch ausgelöste Gefühl. Wenn Eltern also ihrem kleinen Kind etwas beibringen wollen, ist es am besten, dies mit möglichst viel Freude vorzumachen bzw. mit dem Kind zusammen zu tun. Deckt sich das Tun und was dazu gesagt wird, kann das Kind beides verknüpft speichern. 

 

"Mein Kind tut nicht, was ich ihm sage" ist also eher ein Hinweis darauf, dass das Tun des Elternteils und die Ansage nicht stimmig sind. Das verwirrt ein Kind und es wird eher tun, was es sieht als was es hört, denn das kann es in dieser Phase eher umsetzen.

 

Negative Erfahrungen in dieser Zeit werden tief gespeichert. Wie gesagt, beziehen Kinder in diesem Alter alles auf sich, leider auch Ereignisse, die sie nur als Zeuge miterleben. Sie können sich nicht rausnehmen und spiegeln die negative Emotion. Sie können noch nicht zuordnen, dass der Streit der Eltern nichts mit ihnen zu tun hat, speichern aber die belastende Emotion, die das in ihnen auslöst, tief ab. Schreck und Angst als Reaktion auf Streit, lautes Türen knallen oder Brüllen werden mit der Situation verknüpft, in der sich das Kind gerade befindet. Baut es gerade vielleicht einen Turm und freut sich, kann der Schreck sich tief speichern und dazu führen, dass das Kind als späterer Erwachsener eine diffuse Angst hat, dass wenn es  erfolgreich wäre, dann bestimmt etwas Dramatisches passiert.

 

Ein Ereignis wird sich noch nicht so tief speichern, außer das Kind gerät in ein Gefühl der völligen Hilflosigkeit. Aber eine häufige Wiederholung solcher Ereignisse wird tief verankert und prägt die Erfahrungswelt dieses Kindes auch noch als Erwachsener. Reagiert also ein Erwachsener immer wieder in bestimmten Situationen auf eine ihm selber nicht verständliche Weise, kann die Wurzel dazu in diesen ersten vier Lebensjahren liegen.

 

 

 --------------

Fortsetzung folgt ...

--------------

 

Was sind Deine Erfahrungen? Kennst Du Situationen, in denen Du anders reagierst, als Du eigentlich möchtest?

Schreibe mir gerne dazu unten in die Kommentare!

 

------------ 

Brauchst Du Hilfe bei einem Thema, dann vereinbare ein Kontaktgespräch:  hier  klicken.

-----------

 

Möchtest Du auf dem Laufenden bleiben? Dann abonniere den Newsletter und Du erhältst immer die neuesten Informationen. Zusätzlich gibt es Tipps und Tools für den Alltag.

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0